Aufkündigung der Zählgemeinschaft durch die Freien Bürger

Es gibt jetzt, Anfang Juli 2020, einige Unruhe in der SVV. Die Fraktion Freie Bürger Werder haben ihre Mitgliedschaft in der Zählgemeinschaft aufgekündigt. 

Aber was ist eine Zählgemeinschaft überhaupt?

Der Begriff stammt aus der Brandenburger Kommunalverfassung. Dort ist geregelt, dass bei bestimmten Gremienwahlen – insbesondere die Besetzung von Ausschüssen der SVV – sichergestellt sein soll, dass die Mehrheit der Abgeordneten, wenn sie aus mehreren Fraktionen besteht, auch die Mehrheit in der Abstimmung bilden soll. Werden die einzelnen Fraktionen für sich gewertet, ist das nicht immer sicher. Hier kann die „größere Gruppe“ sich als Zählgemeinschaft erklären und wird daraufhin bei einer solchen Abstimmung wie eine Fraktion gewertet.

Nach der Wahl 2019 haben wir und andere eine Mehrheit Mitte-Links von der CDU gesehen und uns für die Wahl der Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung auf eine Zählgemeinschaft verständigt. Seitdem arbeiten SPD, Die Linken, Stadtmitgestalter/Ingo Krüger, wir und eben die Freien Bürger in der Weise zusammen, dass wir uns regelmäßig treffen, gegenseitig informieren und versuchen, Mehrheiten zu organisieren. Ehrlich gesagt war das aber oftmals nicht erfolgreich.

Konkrete Auswirkung hatte die Zählgemeinschaft aber bei drei Vorgängen

  • Wahl der Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung: Hier ist die Kandidatin der Freien Bürger gescheitert, weil es in der schriftlichen Abstimmung Abweichler aus den Reihen der Zählgemeinschaft gab.
    Übrigens erhielt bei der Wahl des zweiten stellvertretenden Vorsitzenden der Kandidat der AFD 12 Stimmen und damit 9 Stimmen mehr, als die Fraktion stark ist!
  • Besetzung des Hauptausschusses: Von den acht Plätzen erhielt die Zählgemeinschaft 5 Plätze, die CDU 3 und die AFD blieb draußen
    Übrigens wollte die CDU erreichen, die Zahl der Mitglieder im Hauptausschuss auf 10 herauf zu setzen, was die Beteiligung der AFD im Ausschuss zur Folge gehabt hätte
  • Besetzung des Aufsichtsrates der HGW (Wohnungsbaugesellschaft): Beim ersten Wahlgang konnte aufgrund einer Verhinderung die Zählgemeinschaft ihre Stimmen nicht zusammen bekommen. Im zweiten Wahlgang stimmte ein Vertreter der Freien Bürger gegen den gemeinsamen Vorschlag, so dass es wieder ein Patt gab. Der dritte Wahlgang, in dem das Verfahren ein anderes sein wird, ist in Vorbereitung.

Aktuelle Entwicklung

Die Fraktion Freie Bürger Werder haben am 7. Juli 2020 mitgeteilt, dass sie sich an die Vereinbarung der Zählgemeinschaft aus 2019 nicht mehr gebunden fühlen und diese verlassen. Den Geist der Abstimmung und Kooperation wollen sie aufrecht erhalten.

Unsere Einschätzung

Liebe Kollegen der Fraktion Freie Bürger Werder, unsere Hoffnung, dass es mit der Wahl 2019 eine Mehrheit Mitte-Links der CDU gibt, wird von euch offensichtlich mehrheitlich nicht geteilt. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen.

Nun gilt es das zu tun, was ohnehin die Würze der Arbeit in der SVV ausmacht: Für die eigenen Ideen ggf. wechselnde Mehrheiten zu suchen! Aber, wie wollt ihr das machen, ohne mit einer CDU zusammenzuarbeiten, von der man annehmen kann, dass sie die AFD immer wieder verdeckt unterstützt? Was wollt ihr tun, wenn eure Initiativen nur mithilfe der AFD umgesetzt werden können? Nicht für unsere Wähler, sondern für euch sei hier noch einmal erwähnt, dass diese Partei in Brandenburg vom Verfassungsschutz beobachtet wird, weil gerade die Brandenburger AFD Politiker eine besondere Nähe zum sog. Flügel aufweisen. Lasst euch versichern, wenn ihr Beschlüsse der AFD ermöglicht oder bei euren Beschlüssen auf das Wohlwollen der AFD angewiesen seid, werden wir dies immer wieder offen benennen.

Ihr könnt natürlich gern uns und sicherlich auch die anderen Fraktionen aus der ehemaligen Zählgemeinschaft einzeln anfragen. Hier muss aber auch gesagt werden; wir haben euren Vorschlag für den Vorsitz der SVV voll unterstützt, wir haben viele eurer Anträge befürwortet und wir erinnern daran, dass wir sogar euren Bürgermeisterkandidaten vor einigen Jahren unterstützt haben. Im Gegensatz dazu: die drei Punkte oben. Politische Kompromisse sind ein Geben und Nehmen. Wir sind hier deutlich in Vorleistung gegangen.

Unsere nächsten Ziele

Wir arbeiten weiter an unseren politischen Zielen. Wir halten den engen Kontakt zu unseren verbleibenden Partner*Innen der ehemaligen Zählgemeinschaft. Um aber Beschlüsse in der SVV durchzubringen, müssen wie mehr noch mit anderen Fraktionen, aber auch mit der Stadtverwaltung reden. Mit der AFD reden wir nicht.

Wir werden sehen, wie die CDU reagiert. Wenn sie sich nicht von der AFD und den Freien Bürgern abhängig machen will, wird sie weitere Partner im Einzelfall suchen müssen. Wir werden sehen, ob und wie wir zusammen kommen. Wir von Bündnis 90/Die Grünen sind in jedem Fall offen für sachlich orientierte und zukunftsweisende Diskussionen. 

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Stadtverordnetenversammlung Werder (Havel) 
Werder (Havel), am 10. Juli 2020