Grüner Blick auf die Stadtverordnetenversammlung vom 15. Juni 2023 – Teil I

An dieser Stelle möchten wir auf die Stadtverordnetenversammlung vom 15. Juni 2023 zurückschauen und einige Tagesordnungspunkte detaillierter betrachten. Da die TO im öffentlichen Teil der Sitzung nur bis einschließlich TOP 16 abgearbeitet wurde, treffen sich die Stadtverordneten am 4. Juli 2023 ab 20:00 Uhr zur Folgesitzung. 

Hier der LINK zur Tagesordnung 

Festsetzung der Tagesordnung 

Aufgrund des hohen öffentlichen Interesses stellen wir als Fraktion den Antrag zur Tagesordnung, den TOP N31 – Eigengesellschaft der Stadt Werder (Havel) „Veranstaltungsgesellschaft Werder (Havel) mbH“ – vom nicht-öffentlichen in den öffentlichen teil der Sitzung zu legen. Wir sind davon überzeugt, dass eine sachliche und inhaltlich fokussierte Debatte um das Defizit des diesjährigen Baumblütenfestes auch ohne Nennung “ … überwiegende Belange des öffentlichen Wohls oder berechtigte Interessen Einzelner … “1 hätte erfolgen können. Diese Auffassung vertrat am vergangenen Donnerstag allerdings nur eine Minderheit der anwesenden Stadtverordneten, wodurch unser Antrag mit 11/16/0 Stimmen abgelehnt wurde. Also bleibt die Debatte um das Thema nicht-öffentlich. 

Da aus der nichtöffentlichen Sitzung an dieser Stelle nicht weiter berichtet werden kann, hier der LINK zur Pressemitteilung der Fraktion zum Thema “Defizit Baumblütenfest 2023”.

Bericht der Bürgermeisterin

Relativ neu ist der sogenannte Bericht der Bürgermeisterin. Darin werden aktuelle Themen von ihr angesprochen. Allerdings hielt sich auch dieses Mal der Informationsgehalt in Grenzen. Sehr wichtig für unsere Stadt ist allerdings die Nachricht, dass es mit sofortiger Wirkung einen Haushaltssperre gibt und ein weiterer Nachtragshaushalt für 2023 notwendig ist. Nachdem vergangenen Dezember bereits ein Nachtrag für das Jahr 2023 gefasst wurde, braucht die Stadt nach Aussage der Bürgermeisterin nunmehr mind. weitere 6 Mio € für ihren Defizitausgleich. Wie so oft mangelt es bei ihr aber auch hier am Willen zur Selbstkritik. Dazu heißt es in der städtischen Presseerklärung: “ … Zum Gutteil sei das Defizit durch Entwicklungen bedingt, auf die die Stadt keinen Einfluss hat, die sich aber gleichwohl auf den Haushalt auswirken …”2. Die in derselben Pressemitteilung angesprochenen Verteuerungen der Schulbauten am EHG und Hagemeister Grundschule sind unserer Meinung nach mehrheitlich selbst verschuldet. Die Langsamkeit der Umsetzung durch Fr. Bürgermeisterin beim EHG (Ratsbeschluss 2016 vs. Spatenstich 2023) fängt die hohen Teuerungen der letzten Jahre vollständig ein. Auch die überproportionalen Teuerungen der sogenannten Modulbauweise für den Ausbau an der Hagemeister Grundschule – inzwischen haben sich die geschätzten Baukosten von rund 6.5 Mio € auf min. 16.5 Mio € fast verdreifacht – kann unserer Meinung nach von einer Verwaltungschefin nicht tatenlos hingenommen werden. Kostenschätzungen zu anderen Bauweisen, z.B. Massivbauweise, hätten längst beauftragt werden müssen, um öffentliche Kassen zu schonen. Unerwähnt von Bürgermeisterin Saß bleiben die Mehreinnahmen durch die erhöhte Grundsteuer ab 2023 und die Entwicklung der sonstigen Steuereinnahmen der Stadt Werder (Havel). Sollte es hierbei Zuwächse gegeben haben, wäre die zu kompensierenden Ausgaben wohl noch deutlich größer als die 6 Mio €.   

Eilentscheidung gemäß § 58 BbgKVerf zur Aufnahme eines Kassenkredites durch die VGW

Hier ging es um die nachträgliche Genehmigung einer Eilentscheidung der Bürgermeisterin zur Gewährung eines Kassenkredits in Höhe von 300.000 € an die VGW Anfang April 2023. Dazu 2 Anmerkungen. Ein Kassenkredit ist für die kurzfristige Überbrückung von Finanzierungslücken gedacht und als solches auch von uns mitgetragen. Da die VGW über keine ausreichenden finanziellen Mittel verfügt hat, um etwaige Vorleistungen abzufedern, war diese Unterstützung für sich betrachtet richtig und notwendig. Allerdings ist auch hier das Mittel der Eilentscheidung durch die Bürgermeisterin zu kritisieren, da nichts an den Vorleistungen durch die VGW überraschend kam. Dieser Bedarf war für den ordentlich handelnden Kaufmann absehbar und hätte frühzeitiger per Beschluss z.B. in der SVV im März 2023 bearbeitet werden müssen. Ob zum Zeitpunkt der Gewährung des Kassenkredits das nun bekannte Defizit von weit über 1 Mio € für die Bürgermeisterin hätte absehbar sein müssen, muss in der Nachbetrachtung geklärt werden. Wir werden dies fordern. 

An dieser Stelle: Die in jüngerer Vergangenheit mehrfach herbeigeführte Eilentscheidung durch die Bürgermeisterin und die Vorsitzende der SVV wird von uns kritisiert. In keinem der Fälle hat Fr. Bürgermeisterin Saß den Versuch unternommen, die Stadtverordneten per normaler Ladungsfrist (5 Arbeitstage 3) oder per verkürzter Ladungsfrist (3 Arbeitstage 3) einzuladen und dringliche Dinge dringlich zu beraten. In einer Demokratie sind die Debatten und der Austausch unterschiedlichster Argumente unerlässlich.    


Bürgerbegehren „Klimaschutz“

Ohne weitere Debatte angenommen. Was natürlich schade ist, denn das Thema ist wichtig und gehört doch zumindest angesprochen. Die Abstimmung war dennoch eindeutig mit nur 1 Gegenstimme und 2 Enthaltungen. Damit kann das Bürgerbegehren zur Zulässigkeitsprüfung an die zuständige Kommunalaufsichtsbehörde weitergereicht werden.


Namentliche Besetzung der Ausschüsse und sachkundige Einwohner 

Im konkreten Fall ging es um Änderungen der AFD Fraktion. Wir haben zum Ausdruck gebracht, dass wir nichts gegen die in Rede stehenden Personen vorbringen. Wer sich allerdings in den Dienst der AFD stellt, kann von uns keine Zustimmung erwarten. Mitglieder dieser Partei möchten unsere demokratische Grundordnung abschaffen und wir haben bislang keine Distanzierung der AFD Werder davon wahrgenommen. Wir stellen uns gegen jede Art rassistischer, demokratiefeindlicher, unsozialer und rückständiger Politik. 


Einzelhandels- und Zentrenkonzept für die Stadt Werder (Havel)

Das EHK legt die zentralen Versorgungspunkte einer Gemeinde fest und kann so eine vernünftige Stadtentwicklung unterstützen, indem vor einer Zergliederung geschützt wird. Grundsätzlich erfüllt das vorgelegte Dokument diese Aufgabe. Mit einer Ausnahme: dem Hinzufügen eines EDEKA Standortes in Glindow. Wir halten dies für eine Vorfestlegung sowohl auf die Tatsache eines weiteren Nahversorgers in Glindow, auf den Standort und den Betreiber. Gute Stadtentwicklung sieht anders aus. 
Bei der Vorstellung des Themas im Ausschuss für Stadtentwicklung, Mobilität und Umwelt räumte der vortragende Planer ein, dass der Ortskern in Glindow stirbt, wenn der Nahversorger (heute REWE) im Ortskern stirbt. Eine Aussage, die gleichzeitig Auftrag ist.  

Zunächst wäre also zu klären, ob Glindow sein durchaus vorhandenes Wachstumspotenzial überhaupt nutzen möchte. Dabei sind Sachverhalte wie z.B. die Bewahrung des Ortscharakters und die Versorgung mit Trinkwasser zu bedenken. An dieser Stelle sei an die Situation am Plessower See erinnert. 
Erst, wenn über das OB, das WO und das WIE Einigung gefunden ist, kann sinnvoll über die Ansiedlung weiterer Nahversorger – räumlich möglichst nah an der dann geplanten Entwicklung zur Verkehrsvermeidung – entschieden werden.

Zumal gegen den vorgeschlagenen Standort am Kreisverkehr Klaistower Str. / Alpen Str. auch ökologische Gründe sprechen. Das in Rede stehende Grundstück liegt derzeit im Außenbereich, im LSG und ist nach aktuellem FNP als Grünland eingestuft. Eigentlich alles, was gegen eine Bebauung spricht. 


Mindestens verwundert darf man über die Pressemitteilung der Stadtverwaltung zu diesem Thema sein. Darin heißt es u.a.: “… Auch für die weitere Entwicklung von Nahversorgern gibt das Einzelhandelskonzept eine klare Empfehlung ab: Integrierte Nahversorgungslagen werden allenfalls noch im Bereich der Kemnitzer Straße / Kemnitzer Chaussee in Werder und im Bereich der Klaistower Straße / Alpenstraße in Gindow gesehen, wo bereits entsprechende Pläne existieren …” 4. Ein Einzelhandelskonzept fasst die Ergebnisse einer beauftragten Untersuchung zusammen, d.h. die Untersuchung eines weiteren Standort in Glindow muss unserem Verständnis nach beauftragt worden sein. Dies als Empfehlung zu benennen, halten wir für falsch. Möglicherweise wird schon eine der kommenden Sitzungen des Ausschusses für Stadtentwicklung, Mobilität und Umwelt Aufschluss geben und einen entsprechenden B-Plan vorstellen. Wir Bündnisgrüne stehen in jedem Fall für eine vernünftige Stadtentwicklung und werden hier nicht das Pferd von hinten aufzäumen.     


Vorhabenbezogener Bebauungsplan 071/18 „Bootslagerplatz Dr.-Külz-Straße“, Stadt Werder (Havel) OT Glindow 

Gleich vorab: ein Thema mit breit gefächerten Argumenten. Hier stehen die jahrzehntelange gewerbliche Nutzung der Fläche und das Engagement des Gewerbetreibenden auf der einen Seite. Auf der anderen Seite die Lage inmitten eines von Wohngebäuden geprägten Umfeldes, am bzw. sogar im LSG und direkt an einer besonders schützenswerten Biotop- und FFH Fläche. Die vorhandene Bebauung auf dem Grundstück ist teils Bestand seit den 1930er Jahren, teils legal in den letzten Jahrzehnten errichtet und teils ohne Baugenehmigung errichtet. Diese schwierige Lage soll nun geordnet und mit neuen Gebäuden zu einem Bootslagerplatz mit Werkstatthalle entwickelt werden. 
Alle Argumente pro und contra enden zentral in einem Punkt: dem politischen Willen. Möchte man die vorgeschlagene Entwicklung an diesem Standort oder besser nicht. Auch unsere Fraktion war sich bei der Beantwortung dieser Frage nicht einig und unser Abstimmungsverhalten entsprechend: Zustimmung und Enthaltung. 

Wir nutzen die Debatte, um Fr. Bürgermeisterin Saß auf das von ihr seit längerem nebulös angedeutete, neue Gewerbegebiet in Glindow hin zu befragen. Lapidar hieß es: es läuft. Angeblich soll in der kommenden Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Mobilität und Umwelt darüber informiert werden. Diese Sitzung ist am 5. Juli 2023 und wir werden natürlich nachfragen.            
                

Beitritt der Stadt Werder (Havel) zu Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten

Ein gutes Ergebnis für Werder. Die 5 einreichenden Fraktionen waren sich einig in den Argumenten für den Beschluss und damit verbunden für den Beitritt Werders zum Bündnis. Das Mehr an Lebensqualität, an Sicherheit und die Möglichkeit, als Gemeinde selbstbestimmt Geschwindigkeitsregelungen treffen zu können, war argumentativ nicht zu schlagen. 


Wenngleich es die ablehnende CDU nicht unversucht ließ. Allerdings blieb deren Versuch, Ängste gegen ein flächendeckendes Tempo 30 zu schüren, erfolglos. Es ist einem außerhalb der CDU Fraktion schlichtweg nicht verständlich, dass der flüssige Verkehr aufgrund von Tempo 30 – wo auch immer von der Gemeinde als richtig erachtet und angeordnet – gestört sein soll. Wer sich wachen Auges durch unsere Stadt bewegt, kommt nicht um die Wahrnehmung einer Zähigkeit des Verkehrs umhin. Und dort, wo es vermeintlich flüssig läuft für den Kraftverkehr, geht es oft zu Lasten der Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer. Die Möglichkeit, bei Bedarf Geschwindigkeiten aneinander anzupassen und ein Mehr an Sicherheit herzustellen, hat am Ende überzeugt.  

Dass die AFD und die CDU gemeinsam stimmen, kommt – es sei an dieser Stelle erwähnt – sehr oft vor in Werders SVV. Wer seiner freien Überzeugung nach so oft dennoch gleich abstimmt wie eine AFD, der muss sich die Frage gefallen lassen, welchen Unterschied es zwischen der eigenen Überzeugung und der der AFD gibt. Die Frage sei an dieser Stelle von uns gestellt. 

Fortsetzung Teil II – findet am 4. Juli ab 20:00 Uhr im Schützenhaus Werder statt. Wir freuen uns wieder auf zahlreiche Gäste und engagierte Redebeiträge zum Wohle unserer Stadt. 


1 BbgKVerf § 36 (2) ­­
2
Pressemitteilung der Stadt Werder (Havel) vom 15. Juni 2023
3 Geschäftsordnung für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Werder (Havel) – §1 (1) bzw. §1 (3)
4 Presseinfo: Stadtverordnete beschließen Einzelhandelskonzept – 15.06.23, 21:05