Werder im ADFC Fahrradklima-Test 2022

ADFC Fahrradklima-Test 2022: Zum dritten Mal beteiligten sich Radfahrende aus Werder (Havel) am ADFC Fahrradklimatest. Während sich die Noten im gesamt-deutschen Durchschnitt nur wenig veränderten, fiel der Notendurchschnitt für Werder (Havel) auch dieses Jahr auf 4,5 (2020: 4,4) noch weiter ab. Damit ist Werder (Havel) in seiner Ortsgrößenklasse (20.000 – 50.000 Einwohner) wieder Schlusslicht in Brandenburg (20 von 20) und liegt jetzt unter den letzten 5% (!) der teilnehmenden deutschen Städte seiner Ortsgrößenklasse (427 von 447). Dies bekräftigt einmal mehr unsere Forderungen, für die Verbesserung der Situation für den Rad- und Fußverkehr endlich tätig werden zu müssen.

Seit Jahren kämpfen wir von Bündnis 90/Die Grünen gegen die Dominanz des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) und darum, die Situation für Fußgänger, Öffentlichen Personenverkehr und Radfahrende zu verbessern; u.a. Forderung nach Bereitstellung von Mitteln zur Markierung von Radstreifen, Forderung zum Beitritt zum Bündnis „Lebenswerte Städte und Gemeinden durch angepasste Geschwindigkeiten“ welches sich für die Möglichkeit zur Ausweisung von mehr Tempo 30 Straßen einsetzt. Auch wenn die meisten politischen Mitbewerber mittlerweile auch öffentlichkeitswirksam eine Verbesserung der Situation für Radfahrende fordern, verhinderte bislang ihr konkretes Abstimmungsverhalten die meisten förderliche Maßnahmen zur De-Attraktivierung des MIV zugunsten von mehr Flächen und Sicherheit für den Umweltverbund (Fuß, Rad, ÖPNV). Aber ohne mehr Flächengerechtigkeit gibt es keine Verbesserung an Sicherheit und Komfort für den Radverkehr!

Der ADFC Fahrradklima-Test ermittelt bundesweit die Stimmung und Zufriedenheit der Radfahrenden in Städten und Kommunen. Daraus entsteht gleichzeitig ein Arbeitstool, welches den Kommunen konkrete Empfehlungen zur Verbesserung der Situation für Radfahrende an die Hand gibt. 2022 haben sich ca. 245.000 Radfahrende an der Befragung beteiligt, wobei die Situationen in 1.114 Städte und Gemeinden bewertet wurden (2020: 1.024; 2018: 683, 2016: 539).

Darstellung der Entwicklung der Teilnehmendenzahl am ADFC-Fahrradklima-Test von 2012 bis 2022. Zu sehen ist, dass die Teilnehmenden von 80.000 im Jahr 2012 auf 245.000 im Jahr 2022 stetig zugenommen haben.
Abbildung 1 – Entwicklung der Teilnehmerzahlen am Fahrrad-Klimatest

Werder (Havel) war 2022 eine von 447 teilnehmenden Städten in der Klasse 20.000 bis 50.000 Einwohner und landet in der Bewertung der Situation für Radfahrende – wenig überraschend – so ziemlich am Ende der Liste: mit einer Bewertung von 4,5 (Bewertung nach dem Schulnotenprinzip) auf Platz 327 und von den 20 teilnehmenden Städten in Brandenburg auf dem allerletzten Platz!

Die folgende Grafik verdeutlicht die Ergebnisse in den einzelnen Kriterien, sortiert nach den Einzelbewertungen von Werder (Havel) sowohl absolut als auch im Vergleich zu den anderen Orten der gleichen Ortsgrößenklasse:

Abbildung 2 – Ergebnisse für Werder (Havel) nach Kriterien, sortiert nach Einzelbewertung, absolut und im Vergleich

Als besonders schwach empfinden die Radfahrenden in Werder (Havel) diejenigen Kriterien, welche sich maßgeblich auf die subjektive und vor allem auch objektive Sicherheit auswirken (z.B. Fahren im Mischverkehr, Fahren auf Radwegen und Radfahrstreifen). Verstärkt wird diese Erkenntnis dadurch, dass genau diese sicherheitsrelevanten Aspekte im Vergleich zu den durchschnittlichen Bewertungen in anderen Städten nochmal negativer ausfallen. Das lässt vermuten, dass die Werderaner Radfahrenden in anderen Städten und Kommunen bessere Bedingungen vorgefunden haben und einschätzen, sich in der eigenen Stadt unsicher fühlen. Dort allerdings legen sie die meisten ihrer Wege zurück.

Die folgende Darstellung verdeutlicht den Zusammenhang zwischen den vorangehend beschriebenen Ergebnissen für die einzelnen Kriterien und der ermittelten Wichtigkeit dieser Kriterien für die Radfahrenden: insbesondere die Kriterien mit den sehr schlechten Bewertungen wie Breite der Radwege, Konflikte mit Fußgängern, Radinfrastruktur werden von den Nutzers als besonders wichtig benannt und umgekehrt, die wenigen nicht ganz so schlimmen Bewertungen gibt es für Kriterien, denen eine geringe Wichtigkeit zugeschrieben wird.

Abbildung 3 – Wichtigkeit der Kriterien für die Radfahrenden

Die Wichtigkeit der einzelnen Themen zeigen, dass eine sichere und komfortable Infrastruktur für Radfahrende gewünscht wird, welche alle relevanten Quellen und Ziele der Alltags- und Freizeitwege konsistent und lückenlos miteinander verbindet.

Wie schon beim Fahrradklimatest 2020 widerspiegeln die Ergebnisse von 2022, dass sich an den schlechten Bedingungen nicht nur nichts geändert hat, sondern dass die Bewertungen eher noch schlechter ausfallen. Die Grundstimmung unter (vor allem Alltags-) Radfahrenden ist miserabel.

Bis auf wenige Maßnahmen für den Radverkehr (z.B. ein 120m Radweg in Glindow, der seit einem Jahr beidseitig ohne Fortführung bleibt; die Beteiligung an der wichtigen Radbrücke über den Zernsee, die auf der Werderaner Seite nicht adäquat verknüpft ist) werden bestenfalls die minimalen Anforderungen aus den entsprechenden Regelwerken umgesetzt und dies auch häufig nur dort, wo eine Umsetzung mit geringem Aufwand und ohne Umverteilung von öffentlichem Raum zuungunsten des motorisierten Individualverkehrs verbunden ist.

Im Ergebnis stellt sich das Wege- und Straßennetz in Werder (Havel) für die Radfahrenden als gefährlicher und unkomfortabler Flickenteppich größtenteils ungeeigneter Radinfrastruktur dar. Der dringend nötige Anstieg des Fahrrad-Anteils an der Nutzung aller Verkehrsmittel wird damit eher verhindert als befördert, was im Widerspruch zu den Ergebnissen der Online-Bürgerbeteiligung sowie der Haushaltsbefragung, welche im Rahmen der Erstellung des Verkehrsentwicklungsplans durchgeführt wurden, steht. Darin drückten jeweils große Mehrheiten ihre Unzufriedenheit mit der vorherrschenden Situation für Radfahrende sowie ihren Forderung nach einer dringenden und umfassenden Verbesserung der gegenwärtigen Situation aus! Besonders häufig wurde der Mangel an objektiver und subjektiver Sicherheit als Gründe benannt, Alltagswege nicht mit dem Fahrrad zurückzulegen zu können.

Eine Ausweitung von Tempo 30 würde die Sicherheit für Radfahrende auf den jeweiligen Straßenabschnitten erheblich verbessern und damit einen Umstieg vom MIV auf das Rad fördern. Im Ergebnis würden auch die Kapazitäten für wirklich dringend benötigte Fahrten im MIV (sowie Busse und Ver- /Entsorgungsverkehr) vergrößert.

In der anstehenden Debatte um den Beitritt zum Bündnis „Lebenswerte Städte und Gemeinden durch angepasste Geschwindigkeiten“ wird sich zeigen, wie ernst es die einzelnen Fraktionen mit ihren Bekenntnissen hin zu mehr Sicherheit für Radfahrende meinen, oder oben es sich wie so oft um reine Lippenbekenntnisse handelt. Wir laden Bürgerinnen und Bürger dazu ein, die Sitzungen der Fachausschüsse (02. – 04. Mai) aufmerksam zu verfolgen und sich eine eigene Meinung über die verschiedenen politischen Positionen zu machen.

In der anstehenden Debatte um den Beitritt zum Bündnis „Lebenswerte Städte und Gemeinden durch angepasste Geschwindigkeiten“ wird sich zeigen, wie ernst es die einzelnen Fraktionen mit ihren Bekenntnissen hin zu mehr Sicherheit für Radfahrende meinen, oder oben es sich wie so oft um reine Lippenbekenntnisse handelt. Wir laden Bürgerinnen und Bürger dazu ein, die Sitzungen der Fachausschüsse (02. – 04. Mai) aufmerksam zu verfolgen und sich eine eigene Meinung über die verschiedenen politischen Positionen zu machen.